Der BGH hat wieder einmal die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei einem Fristversäumnis durch ein Kanzleiversehen dargelegt. Neben dem Führen eines verlässlichen Fristenbuchs gehört dazu auch eine zweimalige Kontrolle der Sendeberichte. Schafft der Anwalt diese Voraussetzungen nicht, handelt es sich um sein eigenes Verschulden, das den Mandanten nicht entlasten kann.
Verschulden der Rechtsanwaltsfachangestellten trifft Mandanten nicht
In Gerichtsverfahren sind zahlreiche Fristen einzuhalten, deren Versäumung erhebliche Folgen bis zum Verlust des Prozesses haben kann. Dabei werden (jedenfalls im Zivilrecht) Fehler des Anwalts dem Mandanten zugerechnet. Etwas anderes gilt jedoch, wenn nicht der Anwalt selbst, sondern dessen Angestellte ein Fristversäumnis verschuldet haben. In diesem Fall muss aber der Anwalt nachweisen, dass ihn selbst kein Verschulden trifft, er insbesondere seine Angestellten gewissenhaft ausgewählt und überwacht hat und klare Anweisungen aufgestellt hat, die Versäumnisse möglichst weitgehend ausschließen.
Fristwahrung per Fax
Die Fristwahrung geschieht häufig per Fax. Geht der Schriftsatz als unterschriebenes Fax am letzten Tag der Frist zu, ist diese gewahrt. Wenn das Original dann auf dem Postweg einige Tage später (und damit eigentlich zu spät) eintrudelt, ist dies nicht mehr problematisch, weil das Fax das Verstreichen der Frist verhindert hat. Dies ist auch der Grund, warum im Rechtsverkehr das Fax immer noch eine enorme Rolle spielt, während es im geschäftlichen Bereich zunehmend als anachronistisch empfunden wird.
Aus diesen beiden Gesichtspunkten zusammen ergeben sich verschiedene praxisrelevante Problemfelder: Denn was passiert, wenn die Rechtsanwaltsfachangestellte beim Faxen am letzten Fristtag einen Fehler macht und der Schriftsatz nicht übertragen wird?
BGH-Beschluss zu verspäteter Berufungseinlegung
Damit hatte sich der BGH in seinem Beschluss zum Az. VII ZB 17/16 vom 10. August 2016 auseinanderzusetzen. In dem Fall ließ sich nicht aufklären, ob ein Fehler beim Versenden oder ein technischer Defekt vorlag – sicher war nur, dass das Fax mit der Einlegung der Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil nicht beim Gericht ankam und der Originalschriftsatz verspätet war.
Der BGH hat – in Übereinstimmung mit seiner bisherigen Rechtsprechung – folgende Anforderungen an den Anwalt gestellt:
- Anlage eines Fristenkalenders, in dem alle zu beachtenden Fristen eingetragen werden. Der Kalender ist dann gleichsam das „Aufgabenbuch“ für die Angestellten des Anwalts.
- Die rechtzeitige Vorlage von Akten, bei denen es auf Fristen ankommt. Der Anwalt muss sich also frühzeitig wieder mit den Verfahren beschäftigen, damit bspw. die notwendigen Schriftsätze noch erstellt und somit die Frist dann auch eingehalten werden kann.
- Überprüfung des Fax-Sendeberichts. Relevant ist vor allem, ob die Übermittlung überhaupt erfolgt ist. Zudem muss aber auch sichergestellt werden, dass die Seitenzahl stimmt und die Sendung auch den richtigen Empfänger erreicht hat. Erst dann kann von Erledigung ausgegangen werden und die Streichung der Frist aus dem Kalender erfolgen.
- Am Ende des Arbeitstags muss eine Nachkontrolle erfolgen: Es ist zu überprüfen, ob alle Verfahren aus dem Fristenkalender erledigt wurden und jeweils Sendeberichte vorliegen. Eine erneute inhaltliche Kontrolle des Sendeberichts ist aber nicht notwendig.
Wiedereinsetzung scheitert an Darlegung der Nachkontrolle
In diesem Fall konnte der Anwalt nicht darlegen, dass die organisatorischen Vorkehrungen für die letztgenannte Nachkontrolle auch wirklich erfolgt sind. Dass die Angestellte beim Faxen mehrerer Schriftsätze durch einen Mandantenanruf abgelenkt wurde und daher übersah, dass für diesen einen Schriftsatz keine Sendebestätigung vorlag, konnte ihn nicht entlasten. Denn genau dafür ist die abendliche Nachkontrolle da.
Rechtsfolge war, dass die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt wurde und damit die Berufungsfrist endgültig versäumt war.
Fristausnutzung führt zur Fehleranfälligkeit
Wie kann man dem nun begegnen? Erster Schritt muss natürlich sein, genau die Kontrollschritte, die die Rechtsprechung verlangt, durchzuführen und die Einhaltung dieser Voraussetzungen sicherzustellen.
Darüberhinaus sollte die Wiedereinsetzung stets nur als Notlösung begriffen werden. Wenn möglich, sollte stets die Frist als solche unter allen Umständen eingehalten werden. Um dies zu gewährleisten, sollte eine Frist möglichst nicht bis zum letzten Tag ausgereizt werden. Zwar spricht weder prozessual noch berufsrechtlich etwas dagegen, Fristen vollständig zu nutzen – aber muss sich im Klaren sein, dass dies die Fehleranfälligkeit drastisch erhöht. Wäre die Versendung per Fax hier drei Tage vor Fristablauf erfolgt, wäre wahrscheinlich auch der postalische Eingang der Schrift bei Gericht noch rechtzeitig gewesen, für die Fristenkontrolle des Anwalts hätte sich niemand interessieren müssen.
Dass man ein paar Tage Zeit braucht, bis man sich im Klaren darüber ist, ob man in die anstrengende und teure zweite Instanz geht, ist verständlich. Aber deutlich vor dem Ende der Monatsfrist sollte die Entscheidung dann schon fallen. Denn auch der Mandant hat im Endeffekt nichts davon, dies solange vor sich herzuschieben, bis die Zeit dann wirklich drängt.
1 Gedanke zu „BGH, Beschluss vom 10.08.2016, VII ZB 17/16 (Ausgangskontrolle bei Schriftsatzeinreichung per Fax)“
Kommentare sind geschlossen.