Kann jemand seine Schulden nicht bezahlen, erfolgt die Zwangsvollstreckung gegen ihn. Dies geschieht (selten) durch die klassische Sachpfändung, häufiger durch Pfändung von Lohn oder Kontoguthaben. Hierfür braucht der Gläubiger in der Regel Informationen des Schuldners, damit er überhaupt weiß, an welchen Arbeitgeber oder welche Bank er sich wenden muss.
Um das zu erreichen, kann eine sogenannte Vermögensauskunft beantragt werden. Dabei muss der Schuldner seine gesamten finanziellen Verhältnisse (und eben auch Lohnansprüche und bestehende Bankkonten) offenlegen und die Richtigkeit an Eides statt versichern. Weigert er sich, kann er verhaftet und so lange inhaftiert werden, bis er die Vermägensauskunft abgibt (sog. Erzwingungshaft).
Im vorliegenden Verfassungsbeschwerdeverfahren wurde der Beschwerdeführer wegen Schulden in Höhe von 1000 Euro im Jahr 2009 in Erzwingungshaft genommen. Auf seinen Eilantrag hin hat das Bundesverfassungsgericht seine Freilassung verfügt. Ganze acht Jahre später hat das BVerfG dann endgültig in der Sache entschieden und seine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, also unmittelbar abgewiesen.
Zunächst hat das BVerfG festgestellt, dass bei jeder Freiheitsentziehung die Verhältnismäßigkeit ganz genau zu prüfen ist. Maßstab ist dabei die Maximaldauer der zulässigen Inhaftierung nach dem Gesetz, in diesem Fall also sechs Monate.
Da es hier um eine Forderung von immerhin 1000 Euro ging, sei die Erzwingungshaft nicht per se unverhältnismäßig. Denn auch der Gläubiger kann sich auf ein Grundrecht berufen, nämlich auf sein Eigentumsrecht (Art. 14 GG). Dem Gläubiger nun zu sagen, er müsse auf seine 1000 Euro verzichten, weil es überzogen sei, den Schuldner deswegen zu verhaften, würde auch in dessen Rechte eingreifen.
Bei Bagatellforderungen (für die das BVerfG keine Wertgrenze festgesetzt hat) könne dies prinzipiell anders sein. Dabei muss man aber beachten, dass es der Gläubiger selbst in der Hand hat, die Erzwingungshaft jederzeit zu beenden: Er muss nur die Vermögensauskunft abgeben, dann wird er unmittelbar aus der Haft entlassen.
Das BVerfG sagt es so:
In den verbleibenden Fällen bedeutet eine mögliche Hafthöchstdauer von sechs Monaten auch für den Schuldner einer relativ geringfügigen Forderung keine übermäßige und unzumutbare Belastung, sondern stehen die Schwere des Eingriffs durch Anordnung der Haft und das Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe in angemessenem Verhältnis zueinander.
Der Schuldner kann die Freiheitsentziehung durch Abgabe der eidesstattlichen Versicherung jederzeit abwenden (§ 902 ZPO a.F., jetzt § 802i ZPO). Das Gesetz knüpft die Haftsanktion an die Nichtbefolgung einer Verpflichtung, die sich ohne Schwierigkeiten erfüllen lässt. Der Schuldner muss lediglich seine Vermögensverhältnisse offenlegen und auf diese Weise den Vollstreckungsgläubiger über etwaige Zugriffsmöglichkeiten informieren. Hat er tatsächlich keinen pfändbaren Vermögensgegenstand, so erleidet er keinen Nachteil. Ist er aber zahlungsfähig und will er nur sein Vermögen verheimlichen, so verdient er keinen Schutz (BVerfGE 61, 126 <135 f.>).
Demgegenüber besteht ein öffentliches Interesse daran, dem Vollstreckungsgläubiger, dem der Staat als Inhaber des Zwangsmonopols die Selbsthilfe verbietet, die Verwirklichung seines Anspruchs und als Voraussetzung dafür die mit der Offenlegung bezweckte Feststellung der pfändbaren Vermögensgegenstände zu ermöglichen. Dieses Interesse dient der Wahrung des Rechtsfriedens und der Rechtsordnung, welche ihrerseits Grundbestandteil der rechtsstaatlichen Ordnung ist (BVerfGE 61, 126 <136>).