Der Halbteilungsgrundsatz besagt, dass der Staat grundsätzlich nicht mehr als die Hälfte der Einkünfte seiner Bürger als Steuer abschöpfen darf. Er wurde vom Bundesverfassungsgericht zur damaligen Vermögensteuer entwickelt, um die Grenzen staatlicher Belastung zu definieren. In der nunmehrigen Entscheidung ging es um die Frage, ob der Halbteilungsgrundsatz auch dann gilt, wenn es nur um Einkommen- und Gewerbesteuer geht.
Zunächst stellt das Bundesverfassungsgericht sehr klar fest, dass jede Besteuerung einen Eingriff in Grundrechte darstellt:
Ist es der Sinn der Eigentumsgarantie, das private Innehaben und Nutzen vermögenswerter Rechtspositionen zu schützen, greift auch ein Steuergesetz als rechtfertigungsbedürftige Inhalts- und Schrankenbestimmung (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie ein, wenn der Steuerzugriff tatbestandlich an das Innehaben von vermögenswerten Rechtspositionen anknüpft und so den privaten Nutzen der erworbenen Rechtspositionen zugunsten der Allgemeinheit einschränkt.
Dies ist insofern von Bedeutung als der Staat damit im Bereich der Steuergesetze grundsätzlich die Prinzipien anwenden muss, die immer bei der Einschränkung von Grundrechten gelten: Die Einschränkung muss
- bestimmt,
- allgemein sowie
- verhältnismäßig sein und
- darf den Wesensgehalt des Grundrechts nicht antasten.
Darüber hinaus lehnte das Bundesverfassungsgericht es aber ab, eine allgemeine Grenze von ca. 50 % für die Besteuerung festzuschreiben:
Jede wertende Einschränkung des staatlichen Finanzierungsinteresses durch Steuern läuft Gefahr, dem Gesetzgeber mittelbar eine verfassungsgerichtliche Ausgaben- und damit eine Aufgabenbeschränkung aufzuerlegen, die das Grundgesetz nicht ausdrücklich vorsieht. Die Finanzverfassung – mit Ausnahme der speziellen Regelung in Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 GG zur Vermeidung einer „Überbelastung“ der Steuerpflichtigen bei der Verteilung der Umsatzsteuer – erwähnt keine materiellen Steuerbelastungsgrenzen.
Weil der Staat also nicht zu sehr im Geldausgeben beschränkt werden soll, darf es auch keine Höchstgrenze für Steuersätze geben.
Gleichwohl besteht aber eine Verfassungsbestimmung, die die Überlastung der Steuerpflichtigen durch eine „erdrosselnde Besteuerung“ gerade verhindern soll. Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 GG besagt:
Die Deckungsbedürfnisse des Bundes und der Länder sind so aufeinander abzustimmen, daß (…) eine Überbelastung der Steuerpflichtigen vermieden (…) wird.
Diese Vorschrift zielt aber weniger auf das Verhältnis zwischen Staat und Bürger, sondern zwischen Bund und Ländern ab. Der Bund soll sich nicht so viel von den Steuern nehmen, dass die Länder gezwungen sind, die ihnen zustehenden Steuern zu erhöhen, sodass alles zusammen den Bürger überlastet. Eine maßvolle Besteuerung ist also nur ein zu beachtender Aspekt bei der Abstimmung der Steuern, aber kein Grundpfeiler des Steuerrechts. Zudem kann diese Anforderung noch keine 50-Prozent-Grenze begründen.
Zudem kommt es auch darauf an, wie sich das zu versteuernde Einkommen berechnet. Je mehr Abschreibungsmöglichkeiten es gibt, umso eher ist es auch zu verkraften, wenn das verbleibende zu versteuernde Einkommen einem hohen Steuersatz unterworfen wird:
Dabei ist wesentlich zu berücksichtigen, dass die zu bewertende Intensität der Steuerbelastung insbesondere bei der Einkommensteuer nicht allein durch die Höhe des Steuersatzes bestimmt wird, sondern erst durch die Relation zwischen Steuersatz und Bemessungsgrundlage. Je breiter die Bemessungsgrundlage ausgestaltet ist, etwa durch Abschaffung steuerlicher Verschonungssubventionen oder Kürzung von Abzügen wegen beruflich oder privat veranlasster Aufwendungen, desto belastender wirkt sich derselbe Steuersatz für die Steuerpflichtigen aus.
Insgesamt kann man zur Frage, welche Steuerhöhe der Staat seinen Bürgern abverlangen darf, also nur sagen: Es kommt darauf an. Hilfe durch das Bundesverfassungsgericht kann man jedenfalls nur erwarten, wenn die Steuerhöhe wirklich außergewöhnlich hoch ist.