Broniowski gegen Polen – Art. 1 des ersten Zusatzprotokolls zur EMRK
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Staatsgrenzen Polens neu festgelegt (sog. Westverschiebung Polens). Ehemals polnisches Gebiet lag nun in der Sowjetunion. Die polnischen Bürger, die dadurch ihr Eigentum verloren haben, wurden grundsätzlich entschädigt. Verschiedene Enteignete wurden hiervon jedoch nicht umfasst bzw. erhielten nur eine minimale Entschädigung.
Als die Klage eines Herrn Broniowski beim EGMR einging, stellte der Gerichtshof fest, dass es ungefähr 80.000 weitere Betroffene gäbe, von denen ca. 200 selbst geklagt hatten. Aus diesem Grunde entschied sich der EGMR dazu, ein sogenanntes Pilotverfahren durchzuführen:
Bei diesem Pilotverfahren wird ein weit verbreitetes „strukturelles“ Menschenrechtsproblem in einem einzelnen Verfahren behandelt (hier eben das des Herrn Broniowski), während die anderen Klagen vorerst zurückgestellt wurden.
Der EGMR stellte fest, dass die Nichtgewährung einer Entschädigung eine Verletzung des Eigentumsrechts (Art. 1 des ersten Zusatzprotokolls) des Klägers darstellte. Der polnische Staat müsse daher – gerade im Hinblick auf die weiteren 80.000 Betroffenen – ein Entschädigungsgesetz verabschieden, das mit diesem Recht in Einklang steht.
Nachdem dies geschehen war, wurden die weiteren gleich gelagerten Verfahren eingestellt und aus dem Register der EGMR „gestrichen“.
1 Gedanke zu „EGMR, Urteil vom 22.06.2004, Nr. 31443/96“
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