BGH, Beschluss vom 28.04.2020, Az. X ZR 60/19 (Zumutbarkeit des beA bei Patentanwälten)

Das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) ermöglicht die Übermittlung digitaler Schriftsätze in sicherer und prozessual korrekter Weise per Internet. Es stand und steht allerdings unter erheblicher Kritik, weil es erst mit deutlicher Verspätung an den Start ging und häufig nicht benutzbar ist.

Dies hat nun auch der BGH aufgegriffen. In einem Verfahren hatte ein Patentanwalt kurz vor Fristablauf den Schriftsatz gefaxt. Wegen einer Faxstörung ging das Schreiben aber – wie er selbst gemerkt hat – nicht vollständig beim Gericht ein.

Der Bundesgerichtshof hat daraufhin entschieden, dass er das Fristversäumnis nicht verschuldet hat. Denn kurz vor Fristablauf auch noch das störungsanfällige beA zu benutzen, wäre ihm nicht zumutbar gewesen:

Die relativ hohe Zahl an Störungsmeldungen, die für dieses System veröffentlicht werden, begründet aber Zweifel daran, ob es in seiner derzeitigen Form eine höhere Gewähr für eine erfolgreiche Übermittlung kurz vor Fristablauf bietet als ein Telefax-Dienst. So sind auf der Internetseite der Bundesrechtsanwaltskammer (https://bea.brak.de/category/aktuellemeldungen) für März 2020 insgesamt zwölf Störungsmeldungen veröffentlicht, von denen sich vier auf Wartungsarbeiten und acht auf Anmeldeprobleme unbekannten Ursprungs beziehen.

Zu beachten ist aber, dass es sich dabei um einen Patentanwalt handelte, der keinen eigenen beA-Zugang hat. Er hätte also ohnehin einen Rechtsanwalt darum bitten müssen, den Schriftsatz über das beA zu versenden:

Ein Patentanwalt ist jedenfalls deshalb nicht verpflichtet, kurz vor Fristablauf von Telefax zu beA zu wechseln, weil ein solches Postfach nur für Rechtsanwälte eingerichtet ist.

Ein Patentanwalt könnte ein Dokument danach allenfalls in der Weise über das besondere elektronische Anwaltspostfach versenden, dass er einen Rechtsanwalt bittet, den Versand für ihn vorzunehmen oder ihm eine Sendeberechtigung für sein Postfach einzuräumen. Derartiges ist einem Patentanwalt jedenfalls in einer Situation, in der eine geplante Übermittlung per Telefax sich kurz vor Fristablauf als erfolglos erweist, nicht zuzumuten.

Ein Rechtsanwalt kann sich auf diese Entscheidung eher nicht verlassen. Jedenfalls ist sie kein Freibrief, bei einer Faxstörung die Frist einfach verstreichen zu lassen und nichts zu tun.

Persönliche Anmerkung von Rechtsanwalt Thomas Hummel:

Meine Kanzlei versendet grundsätzlich alle Schriftsätze in zweierlei Weise, um Fehlerquellen zuminimieren. Häufig werden von Vornherein sowohl das Fax als auch das beA verwendet. Auch wenn man bei Übertragungsfehlern sonst Wiedereinsetzung in die Frist beantragen könnte, handelt es sich dabei um einen Unsicherheitsfaktor, den wir unseren Mandanten nicht zumuten wollen.

Da die Verfassungsgerichte in aller Regel nicht per beA erreichbar sind, entfällt dieser Übertragungsweg. Stattdessen erfolgt die Versendung hier meist einen oder mehrere Tage vor Fristablauf, spätestens am Vormittag des letzten Fristtages. Dies stellt sich, dass man frühzeitig einen Übertragungsbericht bekommt und einen erneuten Sendeversuch unternehmen kann bzw. im Notfall den Schriftsatz noch per Kurier überbringen lässt.

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