BGH, Urteil vom 07.11.2016, AnwZ (Brfg) 47/15

Wir Juristen sind gemeinhin – aber nicht immer zu Recht – bekannt für merkwürdige Standesauffassungen. Wenngleich es hierzulande keine altehrwürdigen weißen Perücken wie in Großbritannien gibt, gehört eine Robe doch zum Anwalt dazu. Tatsächlich ist die Robe aber seit Jahren eher auf dem Rückzug. Zumindest vor vielen Zivilgerichten ist das Tragen einer Robe heute nicht mehr üblich.

Nun kam ein Anwalt auf die Idee, er könne doch seine Robe mit einem Namensschild einschließlich seiner Internetadresse versehen. Freilich nicht, um Verwechslungen vorzubeugen, sondern um Werbung für sich und seine Kanzlei zu machen. Das ging der örtlichen Anwaltskammer aber zu weit und sie beschied seine Anfrage, ob dies denn zulässig sei, abschlägig.

Dafür wurden folgende Gründe angeführt (sinngemäß zusammengefasst):

Es dient der Übersicht im Verhandlungsraum, wenn der Anwalt anhand der Robe als solcher erkennbar ist.

Das mag richtig sein, geht hier aber an der Sache vorbei: Denn zum einen bleibt auch ein Anwalt mit bedruckter Robe ein Anwalt mit Robe. Dann ist er als Anwalt erkennbar, mit Aufdruck sogar noch besser. Zum anderen ist eine Robe keinesfalls überall Pflicht. Und auch in Verhandlungen mit Anwälten in ziviler Kleidung sind keine übermäßigen Verwechslungen unter den Beteiligten bekannt.

Ein Anwalt in Einheitsmontur tritt hinter seiner Person zurück und wird zu einem (quasi anonymen) Organ der Rechtspflege, das nicht eigenen oder einzelnen Interessen dient, sondern dem Recht an sich.

Wenn man davon ausgeht, dann müsste dies eigentlich auch für anwaltliche Schriftsätze gelten, die in den meisten Prozessen viel bedeutender sind als das Geschehen im Gerichtssaal. Und in diesen Schriftsätzen verschwindet die Person des Anwalts keineswegs in einem namenlosen juristischen Nexus, sondern er firmiert auf klar zuzuordnendem Briefpapier in teilweise auffälligem Design.

Die Werbung für die Kanzlei auf der Robe ist unsachlich, da sie die Robe zweckentfremdet.

Den Punkt kann man noch am ehesten nachvollziehen. Wenn man der Meinung ist, dass ein Anwalt auf seiner Robe nicht zu werben hat, dann darf er auf seiner Robe auch nicht werben. Argumentativ ist das natürlich kaum zu untermauern, es ist vielmehr eine ziemlich subjektive Einschätzung. Und diese Einschätzung ist laufend Wandlungen unterworfen.

Denn es ist noch nicht so wahnsinnig lange her, da empfand man anwaltliche Werbung per Zeitungsannonce schlechterdings als standesunwürdig – was zur Folge hatte, dass auffallend viele Anwälte nicht werbende, sondern informierende Hinweise in Zeitungen abdrucken ließen, dass sie aus dem Urlaub zurückgekehrt und nun wieder für ihre Mandanten da seien. Später ließ man – kein Witz! – schwarz-weiße Werbung zu, hielt aber farbige Rahmen für standesunwürdig. Mit der Zeit wurde die Werbung des Rechtsanwalts aber immer weiter liberalisiert, sodass ihm heute fast alle Reklameformen offen stehen. Insofern gibt es kaum Zweifel daran, dass auch Name und Domain auf einer Robe irgendwann erlaubt sein werden.

BGH, Urteil vom 20.06.2016, AnwZ (Brfg) 26/14

car-accident-1660670_640Manche Anwälte haben bisher bei der Abwicklung von Verkehrsunfällen ein besonderes System gepflegt: Sie legten persönlich die Arbeits- und Materialkosten gegenüber der Werkstatt aus, damit der Mandant sein Auto schnell repariert bekam. Den Erstattungsanspruch, den der Mandant gegen den Unfallgener bzw. dessen Versicherung hat, lässt sich der Anwalt dann abtreten und zieht diesen für sich ein.

BRAO will finanzielle Vermengungen verhindern

Die Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) kennt verschiedene Vorschriften, die eine Vermischung finanzieller Interessen zwischen Anwalt und Mandant verhindern soll:

  • § 49b Abs. 2 Satz 1 BRAO untersagt eine Beteiligung des Anwalts am vom Mandanten eingeklagten Anspruch. Er soll also nicht – wie bspw. in den USA üblich – einen prozentualen Anteil des Schmerzensgelds erhalten. Darum ging es hier aber ersichtlich nicht.
  • § 49b Abs. 2 Satz 2 BRAO verbietet es dem Anwalt, seinem Mandanten Rechtsverfolgungskosten abzunehmen. Das ist hier aber nicht der Fall, da es nur um eine Verauslagung ging, nicht aber um die endgültige Übernahme.
  • euro-1144835_640Einschlägig ist aber § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO: Demnach darf der Anwalt einem Dritten, der ihm Aufträge vermittelt, keinerlei Vorteile zukommen lassen. Für den Werkstattbesitzer stellt es sich aber auf jeden Fall als Vorteil dar, wenn er sein Geld sofort bekommt. Er verdient zwar deswegen nicht mehr, aber die Sicherheit, sein Geld überhaupt und noch dazu pünktlich zu bekommen, ist im geschäftlichen Bereich ein Wert an sich. Damit entsteht ein Interesse des Unternehmers, gerade einem Anwalt, der diese Abwicklung anbietet, Aufträge zu verschaffen – zum Beispiel, indem man einen Kunden mit Unfallauto gleich fragt, ob er denn überhaupt schon einen Anwalt hat, man hätte da nämlich einen empfehlenswerten und überaus kompetenten an der Hand…

Auch Werberecht verletzt

Solche Werbemaßnahmen will die BRAO aber verhindern. Zwar sind die Regeln bzgl. anwaltlicher Werbung heute deutlich liberaler als früher. Trotzdem waren die festgesetzten Grenzen (vgl. auch § 43b BRAO, § 6 BORA) überschritten:

  • Zum anwaltlichen Berufsbild gehört noch immer eine gewisse Sachlichkeit in der Werbung um Mandate, mit der sich Provisionszahlungen nicht vertragen. Denn, so der BGH, „die Anwaltschaft ist kein Gewerbe, in dem Mandate ‚gekauft‘ und ‚verkauft‘ werden“.
  • Die Werbung muss außerdem berufsbezogen sein, das ist ein solches Vorgehen aber nicht. Das Verauslegen von Handwerkerrechnungen ist keine zum Beruf des Anwalts gehörende Tätigkeit, sondern eher eine Art Darlehensgewährung.

Im Ergebnis war das Angebot des Anwalts also rechtswidrig, der Hinweis berechtigt und die Klage in beiden Instanzen erfolglos.

Seltsamer Rechtsweg zum BGH

Noch eine kurze Erläuterung, wie dieser Fall überhaupt zum BGH kam:

Die Rechtsanwaltskammer hatte davon erfahren, dass ein ihr unterstehender Anwalt diese (bislang nicht seltene) Praxis anbot. Daraufhin hat der Vorstand der Kammer den Anwalt gemäß § 73 Abs. 2 Nr. 1 BRAO darüber belehrt, dass dies rechtswidrig ist.

Hiergegen stand dem Anwalt die Möglichkeit der Anfechtungsklage (§ 112a Abs. 1, § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 42 VwGO) offen, da es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit handelt. Zuständig dafür ist jedoch kein Verwaltungsgericht, sondern der Anwaltsgerichtshof, die Mittelinstanz der Anwaltsgerichtsbarkeit.

Gegen dessen Urteil wiederum ist die Berufung statthaft (§ 112e Satz 1 BRAO). Über diese entscheidet aber bemerkenswerterweise nicht das Bundesverwaltungsgericht, sondern der Anwaltssenat beim Bundesgerichtshof (§ 112a Abs. 2 Nr. 1 BRAO) – und das, obwohl es eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit ist. Und so besagt § 106 Abs. 1 Satz 2 BRAO auch: „Der Senat gilt, soweit auf das Verfahren die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend anzuwenden sind, als Zivilsenat“ – diesen Satz muss man sich als Rechtskundiger, der vom ersten Studientag an die Trennung zwischen den drei Hauptgebieten der Rechtswissenschaft (Zivilrecht, Strafrecht, Öffentliches Recht) gelernt hat, erst einmal verdauen…