EGMR, Urteil vom 08.07.2011, Nr. 65840/09 und 66274/09

Ouardiri et al. gegen die Schweiz – Art. 9, 14 und 13 EMRK

Das Minarettverbot in der Schweiz kann gegen die EMRK verstoßen. Die Kläger hatten aber nicht begründet, warum sie persönlich davon betroffen sind.
Das Minarettverbot in der Schweiz kann gegen die EMRK verstoßen. Die Kläger hatten aber nicht begründet, warum sie persönlich davon betroffen sind.
Ende 2009 verabschiedete die Schweiz im Wege der Volksabstimmung eine Verfassungsänderung, nach der der Bau von Minaretten (speziellen Türmen auf Moscheen) verboten wurde.

Hiergegen klagten verschiedene islamische Vereinigungen und Privatpersonen. Sie sahen ihr Recht auf Religionsfreiheit (Art. 9 EMRK) sowie das Diskriminierungsverbot (Art. 14 EMRK) als verletzt an.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nahm die Beschwerde nicht zur Entscheidung an. Sie sei unzulässig, da die Kläger nicht durch die mögliche Konventionsverletzung beeinträchtig seien.

„EGMR, Urteil vom 08.07.2011, Nr. 65840/09 und 66274/09“ weiterlesen

EGMR, Urteil vom 03.06.2010, Nr. 42837/06, 3269/07, 35793/07 und 6099/08

Dimitras et al. gegen Griechenland – Art. 9 EMRK

Nach griechischem Prozessrecht wurde standardmäßig angenommen, dass jede Person griechisch-orthodoxer Christ sei. Als solche waren die Zeugen dann verpflichtet, auf die Bibel zu schwören, dass sie die Wahrheit sagen würden. Wer dies nicht wollte, musste seinen (abweichenden) Glauben angeben und konnte dann eine andere Form der Bekräftigung wählen.

Zeugen können gemäß Art. 9 EMRK nicht gezwungen werden, ihr Bekenntnis zu offenbaren, wenn sie nicht auf die Bibel schwören möchten.
Zeugen können gemäß Art. 9 EMRK nicht gezwungen werden, ihr Bekenntnis zu offenbaren, wenn sie nicht auf die Bibel schwören möchten.
Die Kläger vor dem EGMR empfanden dies als Verletzung ihrer Gedanken‑, Gewissens- und Religionsfreiheit aus Art. 9 EMRK.

Der Gerichtshof gab ihnen im Wesentlichen Recht. Zu dieser Religionsfreiheit gehöre demnach auch, dass man seine Religion nicht gegenüber staatlichen Stellen offenbaren müsse. Das Verlangen nach Angabe der Religionszugehörigkeit sei auch nicht gerechtfertigt, um die Ernsthaftigkeit der Beteuerung sicherzustellen. Vielmehr könne das Gesetz auch die freie Wahl zwischen religiösem Eid auf die Bibel und feierlicher Beteuerung vorsehen.

Dabei handelt es sich übrigens um nichts spezifisch Griechisches: Auch die deutsche Strafprozessordnung aus dem Kaiserreich sah ursprünglich vor, dass „der Zeuge über Vornamen und Zunamen, Alter, Religionsbekenntniß, Stand oder Gewerbe und Wohnort befragt wird“.