Gäfgen gegen Deutschland – Art. 3 und 6 EMRK
In diesem sehr bekannten Verfahren ging es um strafverfahrensrechtliche Fragen sowie um das Folterverbot.
Kernsätze des Urteils
- Es gibt keine Ausnahmen vom Folterverbot aus Art. 3 EMRK. Auch Kerninteressen des Staates und das Leben anderer Menschen erlauben keine Gewaltanwendung zur Erlangung von Aussagen („Rettungsfolter“).
- Bereits die Bedrohung mit einer unmittelbar bevorstehenden Folterung ist eine unmenschliche Behandlung.
- Aussagen, die unter Verletzung von Art. 3 EMRK erlangt werden, dürfen nicht als Beweismittel in einem Strafverfahren herangezogen werden.
- Beweismittel, die aufgrund einer solchen unverwertbaren Aussage aufgefunden wurden, also indirekt auf den Verstoß zurückgehen, dürfen grundsätzlich nicht verwendet werden. Eine Verwendung stellt einen Verstoß gegen das faire Verfahren (Art. 6 EMRK) dar. Eine Ausnahme gilt nur, wenn die Aussagen später ohne Zwang oder Drohung wiederholt wurden.
Drohung mit Folter bei erstem Verhör
Unmittelbar nach seiner Verhaftung wurde er durch die Polizei verhört. Diese ging davon aus, dass das Entführungsopfer noch am Leben sein könnte, sich aber in einem möglichen Versteck ohne ordentliche Versorgung in Lebensgefahr befände. Daher wurde er unstreitig mit verschiedenen Gewaltmaßnahmen bedroht, sollte er den Aufenthaltsort des Kindes nicht sofort verraten.
„EGMR, Urteil vom 30.06.2008, Nr. 22978/05“ weiterlesen